DIE ZUKUNFT VON KRAFTTRAINING

Ist ein Leg Day wirklich nötig? Solltest du deine Bicep Curls ab sofort auf einem BOSU Ball machen? Wie wird Technologie Krafttraining in Zukunft beeinflussen? Wir fragen Experten, nach ihrer Einschätzung.

DATENBASIERTES TRAINING

Einer der neuesten Trends in der Welt des Krafttrainings ist der Fokus auf datengesteuertes Training – der Einsatz von Technologien, um unsere Leistung in Echtzeit zu verfolgen.

„Ein Beispiel ist die Geschwindigkeitsmessung von Kniebeugen“, so Scott Logan, Kraft- und Konditionstrainer bei High Performance Sport New Zealand. „Technologien können es uns ermöglichen, die genaue Geschwindigkeit, mit der wir uns bewegen, zu verfolgen. Dadurch können wir bestimmte Geschwindigkeitsbereiche anvisieren und entsprechende Anpassungen vornehmen.“

„Wenn wir zum Beispiel unsere Kraft trainieren wollen, könnten wir fünf Sätze à drei Kniebeugen mit einer Spitzengeschwindigkeit von 0,7 Metern pro Sekunde anstreben. Damit befinden wir uns im Kraftbereich. Wollen wir hingegen unsere Explosivkraft trainieren, würden wir vielleicht fünf Sätze à fünf Kniebeugen mit einer Spitzengeschwindigkeit von 1,2 Metern pro Sekunde anpeilen. Sobald wir den richtigen Geschwindigkeitsbereich gefunden haben, wählen wir das passende Gewicht. Anstatt sich also nur darauf zu konzentrieren, 120 kg zu stemmen, findet man das Gewicht, das in den Bereich passt, mit dem wir unser spezifisches Ziel erreichen.“

„Es gibt auch spezielle Geräte, die uns Daten in Echtzeit liefern. Ich arbeite zum Beispiel mit einem Gerät für Nordic Hamstrings, das anzeigt, wie viel Kraft durch die Beine erzeugt wird. Es motiviert die Athleten, härter zu trainieren und stellt sicher, dass wir beide Körperseiten gleichermaßen trainieren – weil sie sehen können, ob sie mehr Kraft durch (zum Beispiel) ihr rechtes Bein erzeugen."

BLOOD FLOW RESTRICTION (BFR)

In den 1960er Jahren in Japan entwickelt, wo es als „KAATSU Training“ bekannt wurde (was „Training mit zusätzlichem Druck“ bedeutet), erfreut sich BFR derzeit neuer Beliebtheit. Es ist im Wesentlichen ein Weg, um schneller Trainingsergebnisse zu erzielen, indem wir unsere Muskelzellen gezielt anschwellen lassen.

Das erreichen wir, indem wir eine spezielle Manschette um den oberen Bereich der oberen oder unteren Gliedmaßen legen. Wird die Manschette aufgeblasen, wird der Blutfluss zum Muskel reduziert, was dazu führt, dass sich das Blut im Muskel staut. Das führt zum Anschwellen des Muskels – der erste Schritt zum Muskelwachstum. BFR schränkt auch die Sauerstoffversorgung des Muskels ein, was zu einer Ansammlung von Abfallstoffen, wie z. B. Milchsäure, führt. Dadurch wird unser Stoffwechsel angeregt, was ebenfalls das Muskelwachstum anregt.

„Der Muskel muss nicht komplett mit einer Manschette ‚verschlossen‘ werden“, so David Behm, Professor an der School of Human Kinetics and Recreation, Memorial University, Kanada.“ „Mit Hilfe von BFR kann man bereits bei 20 % des Repititions-Maximus die Kraftwerte steigern und die Hypertrophie anregen.“

GRUNDÜBUNGEN DER KINETISCHEN KETTE

Du hast sicher schon von den „sieben Grundübungen“ gehört. Anstatt sich auf isolierte Muskelgruppen zu konzentrieren, konzentrieren sich diese Bewegungsmuster darauf, den Körper als eine Einheit und innerhalb einer „Kette“ zu trainieren, d. h. wir fordern mehrere Muskelgruppen, um Kraft, Leistung und Ausdauer des gesamten Körpers zu steigern. Grundübungen sind:

- Kniebeugen

- Hüftbeugen (z. B. in Form von Deadlifts)

- Gehen (Laufen) - Drücken (z. B. in Form von Pushups)

- Ziehen (z. B. in Form von Bent Over Rows)

- Ausfallschritt

- Rotation (z. B. Woodchops)

„Im Grunde genommen basiert jede Bewegung, die wir ausführen, auf diesen sieben Grundmustern oder einer Kombination“, so Scott. „Sie haben sich bestens bewährt.“

„Übungen in einer geschlossenen kinetischen Kette werden immer eine Schlüsselrolle spielen“, ergänzt David. „Übungen wie Squats, Deadlifts, Cleans usw. vereinen hochintensive Belastung, Motorik, Gleichgewicht und sportartspezifisches Training. Sie werden nie aus der Mode kommen.“

PROGRESSIVE OVERLOAD FÜR NACHHALTIGE RESULTATE

„Progressive Overload ist das Prinzip der progressiven Belastungssteigerung, d. h. du erhöhst nach und nach das Gewicht auf der Stange oder die Wiederholungen, die du absolvierst. Dieses hat sich im Laufe der Zeit bewährt, denn wird es richtig gemacht, dann funktioniert es“, so Scott. „Es hat sich als Trainingsmethode durchgesetzt, weil sich der Körper auf diese Weise natürlich anpasst. Das Beste Beispiel für diese Anpassungsfähigkeit des Körpers ist die Schwangerschaft. Im Laufe von neun Monaten erfährt der Körper eine fortschreitende Überlastung, da der Fötus stetig wächst und der Körper sich daran gewöhnt, dieses zusätzliche Gewicht zu tragen. Das ist Überlastung in ihrer reinsten Form – die Anwendung von winzigen Anpassungen über einen längeren Zeitraum, um Kraft und Fitness zu steigern.“

Die Geschichte der progressiven Überlastung reicht bis in die antike Olympiade zurück, als Milo von Croton schon als kleiner Junge jeden Tag ein Kalb aufgehoben und getragen haben soll. Als dieses heranwuchs wurde er immer stärker, da die Veränderung immer so gering war, dass er sich anpassen konnte. Als erwachsener Mann soll Milo so stark gewesen sein, dass er einen ausgewachsenen Bullen herumtragen konnte.

Um von progressiver Belastungssteigerung zu profitieren, musst du zudem keine Gewichte stemmen. „Auch mit Bodyweight-Training kann man Fortschritte machen“, so Scott. „Sei es, indem du eine Liegestütze mehr machst oder dir einen mechanischen Nachteil verschaffst, indem du beide Füße vom Boden nimmst und auf die Couch stellst.“

LEG DAYS SIND KEIN MUSS

„Diese Aussage ist durchaus kontrovers“, so Scott. „Ich bin jedoch wirklich der Meinung, dass Training in Bodybuilder-Manier mit separaten Bein- und Brust-/Rückentagen für die Mehrheit eine Zeitverschwendung ist. Für Bodybuilder ist diese Art des Trainings durchaus sinnvoll, doch sie trainieren hauptsächlich für große Muskeln und eine bestimmte Optik. Und sie haben jahrelange Erfahrung in diesem Trainingsstil. Gehst du aber drei Mal die Woche ins Fitnessstudio, um ein wenig stärker zu werden, dann musst du Brust und Rücken nicht mit je 25 Sätzen trainieren. Profisportler trainieren so jedenfalls nicht und es ist einfach nicht die effizienteste Art zu trainieren.“

„Mehr erreichst du, wenn du dich auf drei bis vier Bewegungsmuster in einer Einheit konzentrierst und je 4-8 Sätze absolvierst – und das ein paar Mal pro Woche. Das gibt dir genug Freiheit, noch andere Trainingsarten zu kombinieren, z. B. Mannschaftssport oder Ausdauertraining.“

„Ein Tag könnte z. B. ein horizontaler Push- und Pull-Day sein. Der nächste könnte ein vertikaler Push-Day für den Oberkörper und für Gesäß und hintere Oberschenkelmuskulatur sein. So trainieren Profi-Athleten. So holst du das Maximum aus jeder Trainingseinheit heraus.“

BICEPS CURLS AUF DEM BOSU/GYMNASTIKBALL: ZEITVERSCHWENDUNG

Du möchtest, dass dein Bizeps wächst? Dann brauchst du eines nicht: einen Gymnastikball!

„Was ich in Zukunft lieber nicht mehr sehen würde? Dass Übungen einer offenen kinetischen Kette, z. B. wie Bicep Curls, auf instabilen Untergründen ausgeführt werden“, so David. „Bicep Curls auf einem Gymnastikball oder BOSU Ball zu absolvieren, bietet keinerlei Vorteile.“

FUNCTIONAL TRAINING BEI BODYPUMP

Beschrieben als einer der Trends, die die Fitnessbranche im Jahr 2021 verändern werden, hat Functional Training – Übungen, die uns helfen, Bewegungen im Alltag leichter auszuführen – in den letzten Jahren stetig an Popularität gewonnen und sind ein wichtiger Bestandteil von Les Mills Programmen wie LES MILLS CORE.

Glen Ostergaard, Program Director für BODYPUMP, setzt seit über einem Jahr auch bei BODYPUMP auf Functional Training.

„Für mich ist Functional Training jetzt da, wo es sein soll“, so Glen. „Ich verwende bei BODYPUMP gerne funktionelle Übungen, wie Push-Ups in Kombination mit Bench Presses oder Mountain Climbers in Kombination mit Tricep Extensions. Wenn du Ganzkörperübungen in den Mix einbringst, bedeutet das, dass du, wenn du wieder auf die Bank steigst, um eine isolierte Übung zu machen, diese viel härter ist und du dadurch mehr davon hast. Ich habe die funktionellen Übungen sehr bewusst eingeführt, denn sie ergänzen die BODYPUMP Klassiker ideal. Sie werden uns sicher noch eine ganze Weile erhalten bleiben.“

TECHNOLOGIE IST DIE ZUKUNFT

Was hält die Zukunft für uns bereit? Sowohl David als auch Scott sehen in der Zukunft einen vermehrten Einsatz von Technologien.

„Ich gehe davon aus, dass Workouts in Zukunft noch deutlich stärker auf Echtzeitdaten gestützt sein werden“, so Scott. „Zum Beispiel könnte unsere Herzfrequenzvariabilität vom Vortag unsere Programmierung beeinflussen. Beim Geschwindigkeitstraining könnten wir auf einem Bildschirm vor uns sehen, mit welcher Geschwindigkeit wir uns bewegen, und wenn wir unsere Zielgeschwindigkeit nicht erreichen, würden wir unsere Gewichte entsprechend anpassen. Technologien werden unser Training auch weiterhin immer effizienter machen. Zudem werden Technologien der breiteren Masse zugänglich sein, die derzeit nur Profisportlern vorbehalten sind. Technische Lösungen werden die neue Normalität sein und die Art, wie wir trainieren, verbessern.“

David stimmt zu: „Ich denke, wir werden mehr personalisierte Feedbacksysteme sehen, die die Belastung, die Intensität und das Trainingsvolumen überwachen, so ass eine Person innerhalb einer Trainingseinheit sehen kann, ob ihre Intensität abnimmt. Über viele Trainingseinheiten hinweg wird dies Aufschluss darüber geben, ob Trainingsbelastung zu- oder abnimmt.“

Scott Logan

Scott Logan ist Kraft- und Konditionstrainer der Black Sticks (neuseeländische Eishockeymannschaft der Herren). Der ehemalige Nationalspieler der neuseeländischen Wasserballmannschaft ist der Gründer von Scott Logan Conditioning, einem Unternehmen, das sich auf Online-Personaltraining spezialisiert hat und Programme und Beratung für Elite- und Profisportler anbietet. Scott hat auf Konferenzen in Neuseeland und weltweit Vorträge gehalten. Er unterrichtet auch Kurse zur Akkreditierung von Kraft- und Konditionstrainern und bietet Seminare für Sportler, Teams und Trainer an.

Dr. David G. Behm

Dr. David Behm arbeitet an der School of Human Kinetics and Recreation, Memorial University of Newfoundland, wo er in den Bereichen Sportwissenschaft und Trainingsphysiologie mit Schwerpunkt auf neuromuskulären Reaktionen und Anpassungen forscht. Dr. Behm arbeitet seit 1995 an der Memorial University of Newfoundland und hält über 18 verschiedene Vorlesungen. Er war knapp 10 Jahre lang stellvertretender Dekan / Vorsitzender der School of Human Kinetics and Recreation Graduate Studies. Sein TEDx talk über Stretching ist ein Versuch, über den Forschungsstand im Bereich Stretching aufzuklären.

Glen Ostergaard

Glen Ostergaard wurde die Liebe zu Fitness in die Wiege gelegt. Bevor er Fitness für sich entdeckte, stemmte sein Vater mit Freunden in einer alten Garage Gewichte. Als Glen älter wurde und seinen Vater und dessen Freunde beim Training sah, wusste er, dass er in seine Fußstapfen treten wollte. Mit 16 Jahren gab ihm sein Vater sein erstes Trainingsprogramm: dreimal zehn Wiederholungen aller Grundübungen. Von dort aus wechselte Glen zum Wettkampf-Bodybuilding, bevor er zu Powerlifting und CrossFit überging. Er lebt in Auckland, Neuseeland, wo er Program Director für BODYPUMP, RPM UND LES MILLS SPRINT IST.