EINE SICHTWEISE AUF GRUPPENFITNESS

Jedes Jahr im Januar: Die Teilnehmerzahlen erreichen Rekordhöhen (Juhu!) – es kommen viele Neumitglieder, die sich entschieden haben, DEINE Class auszuprobieren. Nach einer achtjährigen Sportpause hat die 35-jährige Alana Shortt sechs Wochen lange ihre Erfahrungen dokumentiert, um uns alle daran zu erinnern, wie schwer es fallen kann, als Neuling den ersten Schritt ins Fitnessstudio zu wagen und welch wichtige Rolle der Instruktor dabei spielt...

KURS 1

Tanz, Montag, 13:30-14:30 Uhr

Wie ich mich nach der Class fühle: Mir tut alles weh. Habe heute Morgen gegoogelt: „Sollte ich trainieren, wenn der ganze Körper weh tut?“ und alles Erdenkliche zu Muskelkater erfahren. Außerdem habe ich beim Verlassen meiner Wohnung gesehen, dass mein Dreierpack Sport-BHs angekommen ist, was mich sehr gefreut hat.

So reagieren andere, wenn ich ihnen von meinem Vorhaben erzähle: Eine Mischung aus hysterischem Gelächter („Da würde ich gerne Mäuschen spielen“ und „Ich kann mir irgendwie nicht vorstellen, dass du die nötige Koordination hast“) und motivierenden Worte (Eine Nachricht meiner besten Freundin: „Ich bin SO beeindruckt von dir“ oder von meiner Chefin: „YES! Ich mach auch mit! Ich bin seit Oktober in einem Fitnessstudio angemeldet und nicht ein einziges Mal hingegangen. Was ziehst du so an?“)

Wie motiviert ich bin, zum Kurs zu gehen: Überraschend motiviert. Ich denke der Schlüssel ist, dass ich mich in den Kursen wohlfühle. Es ist ein YMCA, nicht Barry’s Bootcamp. Hier gehen einfach „Durchschnittsmenschen“ hin. Natürlich gibt es Leute, die DEUTLICH fitter sind als ich, doch es gibt auch viele, die weniger fit sind, Menschen mit Übergewicht, Eltern, die ihre Kinder im Spielbereich abgeben, damit sie wenigstens eine Stunde am Tag für sich haben – ganz normale Menschen eben. Ich bin es nicht gewöhnt, ins Fitnessstudio zu gehen, darum ist es schön, mich hier nicht wie eine Aussätzige zu fühlen.

Wie meine Stimmung ist: Das war mein erstes Training nach 8 Jahren und ich habe mich danach gefühlt, als könnte ich die ganze Welt erobern. Das ist echt großartig, wenn man mal genauer drüber nachdenkt. So kann es weitergehen.

KURS 2

Tanzen, Samstag, 11 Uhr

Wie ich mich vor der Class gefühlt habe: Als könnte mich nichts vom Training abbringen. Nach einer heißen Dusche redete ich mir gut zu „Vielleicht bist du die schlechteste von allen, vielleicht aber auch nicht. Das Studio ist praktisch um die Ecke und wenn du heute nicht gehst, dann gehst du gar nicht mehr... Außerdem hast du allen erzählt, dass du heute gehen willst – was, wenn sie nachfragen? Wenn es dir nicht gefällt, musst du ja nicht mehr hingehen...“. Im Studio sah ich einen der heißesten Typen Bostons, der sich vor dem Kursraum gerade mit einem Mädchen unterhielt. Als die Türen aufgingen sagte er „Okay. Lasst uns tanzen!“. Eine Sekunde lang bekam ich Panik, weil ich dachte, er wäre der Instruktor, doch dann stellte sich heraus, dass er mit seiner Tochter am Kurs teilnahm. Ich begab mich ins hinterste Eck des Kursraums, um nicht aufzufallen, hob aber dummerweise die Hand, als die Instruktorin fragte, ob jemand zum ersten Mal da sei. Ich hatte nicht damit gerechnet, die einzige zu sein und war etwas beschämt, die gesamte Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen.

Wie ich mich während der Class gefühlte habe: Ich war überrascht, wie gut ich durchhielt, auch wenn meine Koordination zu wünschen übrig ließ: Alle anderen drehen sich nach rechts – ich nach links (aber damit hatte ich schon gerechnet). Die 5-Minuten-Blöcke haben Spaß gemacht. Wenn ich in einem schlecht war, dann war er wenigstens schnell vorbei und es ging weiter mit dem nächsten. Ich habe mich außerdem dabei erwischt, wie ich zum Schluss mit allen anderen laut „HEY“ schrie.

Erster Eindruck der Instruktorin: Eine schlanke, 1,80 m große Südamerikanerin. Sie war energiegeladen und gut gelaunt und ihr war durchaus bewusst, dass in ihrem Kurs nicht alle topfit und manche einfach da sind, um Spaß zu haben. Sie erinnerte uns immer wieder daran, unser eigenes Tempo beizubehalten, Wasser zu trinken und sie hielt uns mit ihrem Humor motiviert.

Wie ich mich danach gefühlt habe: Verschwitzt und glücklich. Und nicht, als würde ich gleich sterben – was mich wirklich gefreut hat. Ich war überrascht, dass es mir so viel Spaß gemacht hat.

Eindruck der anderen Kursteilnehmer: Ich habe mich mit niemandem unterhalten. Wir waren ca. 35 Personen – zwei Männer, sonst nur Frauen im Alter zwischen 8 und 70.

Wovor ich Angst hatte: Anfangs vor allem davor, mich zum Deppen zu machen. Dann beschloss ich, dass es mir egal war und ließ mich einfach treiben. Nach der Class waren alle Ängste wie weggeblasen. Keiner hat irgendjemanden schräg angesehen oder den Eindruck vermittelt, sich dafür zu interessieren, was die anderen tun.

Muskelkater: Aber sowas von. Bereits eine Stunde nach der Class begann mein Muskelkater und am nächsten Tag in der Arbeit konnte ich kaum einen Teller halten (ich arbeite als Kellnerin in einem Bostoner Restaurant).

Wie motiviert ich bin, zum nächsten Kurs zu gehen: Ich freue mich auf den nächsten Kurs. Es hat mir gefallen, meinen Puls mal wieder in die Höhe zu treiben (ist ja eine Weile her).

Wie meine Stimmung ist: Nach der Class war ich gut gelaunt und hatte das Gefühl, vor 12 Uhr endlich mal etwas Produktives getan zu haben. Das komm selten vor (also, dass ich vor 12 Uhr produktiv bin – nicht, dass ich gute Laune habe).

„Ich bin es nicht gewohnt, ins Fitnessstudio zu gehen, darum ist es schön, mich hier nicht wie eine Aussätzige zu fühlen.”

KURS 3

Tanzen, Samstag, 11 Uhr

Wie ich mich vor der Class gefühlt habe: Ich freue mich richtig darauf! Ich habe nur sechseinhalb Stunden geschlafen, weil ich nachts gearbeitet habe, aber als mein Wecker geklingelt hat, habe ich nicht die Schlummer-Taste gedrückt. Darauf bin ich stolz.

Wie ich mich während der Class gefühlte habe: Es ist schlimmer als letzte Woche. Wie kann das denn sein? Die Bewegungsabläufe sind dieselben, aber meine Koordination ist diese Woche noch schlechter. Vielleicht liegt es daran, dass ich ganz hinten links stehe und die Instruktorin nicht wirklich sehen kann ... Ich schaue auf die Person rechts neben mir, aber die ist keine große Hilfe. Die Chinesin mittleren Alters macht einfach ihr eigenes Ding. Ich bin auf jeden Fall nicht die schlechteste im Kurs. Ein Mädchen hinter mir bewegt sich die meiste Zeit überhaupt nicht.

Zum Ende hin habe ich das Gefühl, mir einen Muskel in der rechten Schulter gezerrt zu haben (wahrscheinlich davon, dass ich eine Stunde lang versucht habe, mit der Choreografie hinterherzukommen). Außerdem tun mir irgendwie Knie und Fußgelenke weh, was sicher daran liegt, dass ich meine 10 Jahre alten Trainingsschuhe trage, deren Gummisohle schon völlig abgewetzt ist.

Wie ich mich danach gefühlt habe: Mir hat sofort alles weh getan. Ich bin zwei Meilen zu einem Geschäft gelaufen, um mir neue Trainingsschuhe zu kaufen und habe auch ein neues Trainingsoutfit gekauft. Dabei wurde mir bewusst, dass ich noch NIE in einem Laden für Fitnessbekleidung war, um dort ein Trainingskleidung zu kaufen. Was ist mit mir passiert?

Eindruck der anderen Kursteilnehmer: Ich habe mich mit niemandem unterhalten. Wie kann es sein, dass sich alle kennen? Wann haben sie angefangen, sich miteinander zu unterhalten?

Muskelkater: Aber hallo. Bereits nach wenigen Minuten. Ich habe nach dem Training aber ein 30-minütiges Bad genommen und am nächsten Tag war der Muskelkater verschwunden. Juhu!

Wie das Training meinen Schlaf, Appetit und mein Energielevel beeinflusst hat: Ich habe gut geschlafen, mein Appetit ist unverändert und ich habe das Gefühl, etwas mehr Energie zu haben.

So reagieren andere, wenn ich ihnen davon erzähle: Ich habe meiner alten Mitbewohnerin davon erzählt (die noch unfitter ist und eine noch größere Abneigung gegen Sport hat) und sie sagte: „Ich bin so stolz auf dich! Du hast es geschafft, mich zu motivieren. Ab sofort gehe ich donnerstags zum Yoga und melde mich diese Woche für Krav Maga an.“ Das sind schon ZWEI Menschen, die ICH motiviert habe, ins Fitnessstudio zu gehen. Mama wäre stolz auf mich.

Wie motiviert ich bin, zum nächsten Kurs zu gehen: Ich gehe seit zwei Wochen zum Kurs und möchte auch nächste Woche wieder gehen. Ich hoffe, dass ich Samstagvormittag weiterhin frei habe, damit ich weitermachen kann.

KURS 4

BollyX, Tanz, Monday, 10:00 Uhr

Wie ich mich vor der Class gefühlt habe: Eigentlich habe ich mir den Wecker auf 8 Uhr gestellt, weil ich um 9 Uhr zum Yoga wollte, doch als ich aufwachte, wurde mir klar, dass das nichts werden würde. Mein Rücken tat weh und die Vorstellung mich zu dehnen, gefiel mir gar nicht. Erstmal einen Kaffee. Als es nach 9 Uhr war, bekam ich langsam ein schlechtes Gewissen.

Aber halt! Um 10 Uhr wird doch BollyX angeboten. Wie wäre es damit? Spaß macht es bestimmt, und zu Hause gibt es um diese Uhrzeit nicht allzu viel, was Spaß macht ... Bei So You Think You Can Dance [US-amerikanische Tanzwettbewerbs-Show], sehe ich mir gerne die Bollywood-Tänze an. Es sieht immer aus, als hätten die Tänzer eine Menge Spaß. Also, los geht‘s:

Wie ich mich während der Class gefühlte habe: Es gab Teilnehmerinnen jeden Alters, sogar ein paar um die 60. Sie sahen irgendwie alle nicht nach BollyX aus. Dann betrat eine hochschwangere Dame den Kursraum uns sagte „Guten Morgen zusammen. Herzlich Willkommen zur TANZ-Class.“

Wie bitte? Habe ich den Kursplan falsch gelesen? Nein, habe ich nicht ... Ich habe doch extra nochmal nachgesehen, bevor ich mich auf den Weg gemacht habe. Oh nein! Nicht schon wieder tanzen! Kann ich einfach gehen? Nein, kann ich nicht. Ich bin wieder in der letzten Reihe und alle würden mich sehen. Ok, zieh es einfach durch. Aber ich hatte mich so auf BollyX gefreut.

Eindruck der Instruktorin: Sie war sehr freundlich und energiegeladen, besonders dafür, dass sie hochschwanger war. Sie lächelte viel und nickte mir immer wieder ermutigend zu, wenn ich Moves endlich richtig machte. Das war mir gleichzeitig aber peinlich, denn das zeigte ja, dass sie zuvor bemerkt hatte, dass ich es komplett vermasselt hatte.

Auswirkung auf meine Leistungsfähigkeit bei der Arbeit/im Studium: Ich hatte den nächsten Tag frei, allerdings hatte ich viel für die Schule zu tun und war wirklich produktiv. Ich hatte viele kreative Ideen für die Unterrichtsvorbereitung.

„Die Instruktorin ist toll! Sie ist gut vorbereitet, liebt ganz offensichtlich das, was sie tut und ist den Kursteilnehmern gegenüber sehr respektvoll.“

KURS 5

Pilates, Mittwoch, 9 Uhr

Wie ich mich vor der Class gefühlt habe: Wann bin ich zu dem Menschen geworden, der sich um 8 den Wecker stellt, um ins Fitnessstudio zu gehen? Ich hatte 8 Stunden Schlaf und brauche nicht mehr, ich sollte also aufstehen und losgehen. Ich mochte Pilates schon immer und denke, dass es ideal ist, um energiegeladen in den Tag zu starten.

Wie ich mich während der Class gefühlte habe: Ich hatte vergessen, wie sehr ich Pilates mag und wie gut es ist, um den Körper zu kräftigen und zu definieren. DIESER Kurs wird mir helfen, meine Rücken- und Schulterprobleme in den Griff zu bekommen und meinen Bauch zu straffen. Die Zeit verging so schnell, dass ich nicht ein einziges Mal auf die Uhr gesehen habe und sogar enttäuscht war, dass der Kurs schon vorbei war! Ich merkte, dass es langsam voranging.

Wie ich mich danach gefühlt habe: Größer. Energiegeladen.

Wovor ich Angst hatte: Ich hatte vor gar nichts Angst. Das ist das Schöne an Pilates. Wirklich jeder kann es.

Erster Eindruck der Instruktorin: Angenehme, sanfte Stimme, gutes Tempo, bietet verschiedene Schwierigkeitsstufen an, hat ganz offensichtlich einen sehr starken Core.

Muskelkater: Am nächsten Tag hatte ich ein wenig Muskelkater, aber mein Rücken fühlte sich besser an – ich war begeistert.

KURS 6

Yoga mit Gewichten, Sonntag, 11 Uhr

Wie ich mich während der Class gefühlte habe: Es stellte sich heraus, dass Yoga mit Gewichten ganz schön hart ist. Begleitet von motivierender Musik brachte das Workout meinen Po und meine Oberschenkel schon nach 10 Minuten ordentlich zum Brennen.

Wie ich mich danach gefühlt habe: Der Kurs hat mir wirklich Spaß gemacht! Ich bin relativ dehnbar, darum war ich eine der Besseren. Allerdings hatte ich am Tag danach (und am übernächsten Tag) starken Muskelkater. Das erinnerte mich an mein erstes Workout nach 8 Jahren Sportpause, aber es hat mir nicht mehr so viel ausgemacht. Das war bisher wirklich mein Lieblingskurs. Ich möchte gerne regelmäßig hingehen.

Eindruck der anderen Kursteilnehmer: Ihr solltet bereits wissen, dass ich in den Kursen mit niemandem rede ;)

Eindruck der Instruktorin: Sie ist toll! Sie ist gut vorbereitet, liebt ganz offensichtlich das, was sie tut und ist den Kursteilnehmern gegenüber sehr respektvoll.

Muskelkater: Oh ja. Mir tut so gut wie alles weh.

Wie motiviert du bist, zum nächsten Kurs zu gehen: Ich liebe diesen Kurs und werde jede Woche hingehen, wenn ich nicht im Thesis-Kurs bin (ich habe sogar meiner Tutorin erzählt, wie begeistert ich bin!)

Was hattest du erwartet und was hat dich überrascht: Ich bin überrascht, dass mir diese energiegeladene Form von Yoga so gut gefällt. Ich bin ein großer Fan von „normalem“ Yoga, weil ich dabei abschalten und entspannen kann, darum fand ich es schön, diese neue Art kennenzulernen und zu spüren, wie ich meinen Körper damit kräftigen kann.

EIN JAHR SPÄTER ...

Nachdem ich seit fast einem Jahr ins Fitnessstudio gehe kann ich sagen, dass Sport meine Stimmung anhebt (besonders, wenn ich mal schlecht gelaunt bin oder Ängste habe) und meinem Rücken guttut, weshalb ich meine Mitgliedschaft verlängert habe.

Vielen Dank an alle Instruktoren für eure Energie und Motivation!

Alana Shortt kommt ursprünglich aus Großbritannien, lebt aber in Boston, wo sie als Lehrerin an einer High School arbeitet. Aktuell geht sie drei Mal pro Woche ins Fitnessstudio.